K. Weber: Umstrittene Repräsentation der Schweiz

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Titel
Umstrittene Repräsentation der Schweiz. Soziologie, Politik und Kunst bei der Landesausstellung 1964


Autor(en)
Weber, Koni
Reihe
Historische Wissensforschung
Erschienen
Tübingen 2014: Mohr Siebeck
Anzahl Seiten
364 S.
Preis
€ 59,00
von
Cécile Huber

Die an der Universität Luzern unter der Ägide von Valentin Groebner entstandene Dissertation gehört zu einer Reihe von jüngeren Publikationen, die sich der fruchtbaren Erweiterung der traditionellen Militärgeschichte verpflichtet haben und das in der älteren Forschung dominante moralisierende beziehungsweise glorifizierende Nationalnarrativ überwinden. Die vorzustellende Studie fokussiert – einer Geschichte «von unten» gemäss – auf die ökonomischen und sozio-kulturellen Lebensumstände der einfachen Luzerner Söldner in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Um deren Lebensalltag und Handlungsspielräume beschreiben zu können, bedient sich die Studie einer Fülle von Quellen. Mittels Schriftstücken, die vorwiegend im Zusammenhang mit Konflikten entstanden sind, rekonstruiert der Autor nicht nur die Strategien der Söldner bei Soldrückständen, sondern filtert minutiös Stellen heraus, die zur Skizzierung des Söldneralltages herangezogen werden können. Der Autor kompensiert so geschickt die prekäre Quellenlage, denn direkte Aufzeichnungen oder gar Selbstzeugnisse über den harten Alltag der frühneuzeitlichen Söldner lassen sich nicht finden.

Der Fokus des Quellenstudiums bleibt ganz klar auf Luzern – wobei die reichhaltigen Quellen aus der Acta Helvetica erstaunlicherweise nicht berücksichtigt worden sind; einige Ergebnisse werden vereinzelt durch Quellen aus Nidwalden und Schwyz ergänzt. Trotzdem intendiert der Autor keine lokalgeschichtliche Studie (S. 34), sondern er umreisst am Beispiel des Standes Luzern typische Charakteristika eines Solddienstortes, die jedoch leider nicht weiter innerhalb des Corpus Helveticum verortet werden. Eine Synthese zum Zentralschweizer Solddienst bleibt weiterhin ein Forschungsdesiderat (S. 34).

Bevor die Ergebnisse des Quellenstudiums in fünf verschiedenen Hauptkapiteln stringent diskutiert werden, legt der Autor den zum Verständnis der weiteren Ausführungen nötigen Kontext dar, indem Luzern als Solddienst-Stadt vorgestellt wird. Beschrieben werden sowohl die Interessen der Ratsherren, die oftmals selbst Militärunternehmer waren und den Solddienst zwecks Gewinnmaximierung stärker zu regulieren suchten, sowie für den Solddienst relevante Aspekte der inneren und äusseren Aussenpolitik: Luzern war bündnispolitisch mit mehreren Potentaten eng verflochten, wobei sich die französische Krone als dauerhaftester Partner erwies. Damit verbunden waren ins Land fliessende französische Ressourcen, die es Luzern bekanntlich ermöglichten, auf direkte Steuern und auf ein eigenes stehendes Heer zu verzichten. Dennoch bargen die fremden Ressourcen ein hohes Konfliktpotential. Immer wieder wurde um ihren (intransparenten) Verteilungsmodus gestritten, ohne dass sie je grundlegend kritisiert worden wären. Unter den nachfolgenden Ausführungen sind die Kapitel über die Mikroökonomie des Solddienstes und über die Handlungsspielräume der Söldner bei Zahlungsrückständen als besonders interessant hervorzuheben. Abgerundet wird die Studie durch eine Diskussion der zeitgenössischen Diskurse über den Solddienst.
Überzeugend wählt der Autor die Kompaniewirtschaft als zentrale Funktionseinheit der (eidgenössischen) militärunternehmerischen Ökonomie. Der hauptsächlich aus dem Luzerner Stadtpatriziat stammende Hauptmann war sowohl der ökonomische als auch der strategische Führer seiner Kompanie und erhielt vom Dienstherrn die finanziellen Ressourcen, um die unter ihm dienenden Söldner zu entlohnen und zu versorgen. Je weniger Sold der Hauptmann an einzelne Söldner auszahlte, desto höher war sein Gewinn und durch Währungstricks konnte er diesen zusätzlich maximieren. Der Spielraum des Hauptmanns war jedoch keineswegs unbegrenzt, denn Söldner reagierten mittels Desertion oder Meuterei auf zu knappe Versorgung mit Ressourcen.

Aufgrund der Quellenlage lässt sich über die gerichtliche Konfliktlösung im Feld wenig aussagen; denn unterwegs hatten die Söldner eine eigene Gerichtsbarkeit und Akten dazu sind lediglich zufällig überliefert, etwa wenn Kopien an die Obrigkeit gesandt wurden. So fokussiert die Studie vorwiegend auf Solddienstforderungen nach der Rückkehr aus dem Dienst; ein Zeitfenster, das bis anhin in der Forschung kaum berücksichtigt worden ist (S. 21). Die Söldner wurden im Dienst nur äusserst selten sofort und vollständig entlohnt («Soldrückstand als Normalfall», S. 301–304), was unter anderem mit fehlender Liquidität der Dienstherren zusammenhing. Die aktive Einforderung des Soldes nach der Heimkehr gestaltete sich aus verschiedenen Gründen schwierig. Erstens kontrollierte die Luzerner Obrigkeit zwar das Militärunternehmen, indem sie zum Beispiel Werbelizenzen ausstellte oder Aufbrüche bewilligte, die Mikroökonomie der Kompaniewirtschaft jedoch war privatwirtschaftlicher Natur. Die Hauptleute hatten vor der eigentlichen Musterung der Kompanie im Dienstland bereits beträchtliche Ausgaben zu leisten (Werbung, Anreisekosten, Versorgung mit entsprechender Kleidung und Waffen), weshalb sie oft selbst Kreditnehmer waren. Wenn noch der Dienstherr momentan oder gar länger zahlungsunfähig war, blieben auch die Hauptleute zahlungsunfähig und die Obrigkeit musste als vermittelnde Instanz agieren (S. 303). Das Soldwesen als Praktik wurde nicht grundsätzlich in Frage gestellt, obwohl es häufig auch mit Vermittlung lediglich zu Schuldanerkennung oder Teilzahlungen kam. Der Autor stellt den zeitgenössischen Ehrdiskurs ausführlich dar, wobei leider die Verknüpfung zwischen Kriegsperformanz und Ehre fehlt: Jenseits der ökonomischen Verdienstmöglichkeiten konnten Söldner bei entsprechender Performanz ihre Reputation erhöhen und wertvolles symbolisches Kapital anhäufen.

Die Studie leistet meines Erachtens einen wichtigen Beitrag zur Solddienstforschung und ist dank der leserfreundlichen und übersichtlichen Gestaltung auch einem Publikum jenseits der scientific community zugänglich.

Zitierweise:
Cécile Huber: Benjamin Hitz: Kämpfen um Sold. Eine Alltags- und Sozialgeschichte schweizerischer Söldner in der Frühen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien: Böhlau, 2015. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 69 Nr. 2, 2019, S. 325-327.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 69 Nr. 2, 2019, S. 325-327.

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